Sunday, December 10, 2006

"Ich sehe Mann und Frau heute abstrakter", Anne Teresa De Keersmaeker, Teil 1


Anne Teresa De Keersmaeker, 2004 (Foto © Tina Ruisinger)


Die belgische Choreografin ANNE TERESA DE KEERSMAEKER spricht mit ELFI OBERHUBER über die schwierige Beziehung von Mann und Frau. In ihrem aktuellen Gastspiel Mozart / Concert Arias mit ihrer Tanzcompany Rosas, den Wiener Symphonikern und Sängern in Wien ist jene ausnahmsweise auch harmonisch.

Kurzprofil ANNE TERESA DE KEERSMAEKER: Geboren am 11.6.1960 in Mechelen / Belgien (Sternbild Zwillinge), besuchte die flämische Choreographin von 1978 bis 1980 Maurice Béjarts Brüsseler Mudra-Tanzschule. 1981 studierte sie an der Tisch School of the Arts in New York. Ihre erste Produktion, Asch, präsentierte sie 1980 in Brüssel. Nach ihrer Rückkehr aus den USA folgte 1982 die Choreografie Fase. 1983 gründete sie ihre eigene Tanz-Kompanie, Rosas, mit der sie gleich mit dem ersten Werk international durchstartete. Das Kaaitheater in Brüssel bot ihr in den 1980ern einen Aufführungsort für ihre Arbeiten. 1992 wurde De Keersmaekers Kompanie Rosas nach Ballettdirektor Mark Morris als ständige Kompanie an Brüssels Oper, Théatre Royal de La Monnaie, aufgenommen. 1995 gründeten De Keersmaeker und das Théatre Royal de la Monnaie die internationale Schule für modernen Tanz P.A.R.T.S. (Performing Arts Research & Training Studio), die die durch den Umzug von Béjarts École Mudra nach Lausanne entstandene Lücke füllen sollte. 2007 wird nun die Zusammenarbeit mit der Brüsseler Oper beendet - das Interview mit Keersmaeker zur aktuellen Lage ist in aKtuell/REALNEWS/INTERVIEW nachzulesen.

In Österreich ist Rosas seit Jahren bei ImPulsTanz zu Gast, und in der Kooperation mit dem Theater an der Wien war sie zuletzt 2006 als Rosas & Wiener Symphoniker mit Mozart/ Conzert Arias - Un moto di gioia am Theater an der Wien zu sehen, und am 17.+19.6.2008, 20h tritt sie mit ROSAS und dem live- Ictus Ensemble im Programm Steve Reich Evening auf.


Rosas in Mozart / Concert Arias - Un moto di gioia (Foto © Herman Sorgeloos)


Mann - Frau = Vertikale - Horizontale


intimacy-art: Ihr Mozart-Stück "Concert Arias" handelt Keersmaeker-typisch von Beziehungen zwischen Mann und
Frau. Hat sich Ihr Blick über die Jahre verändert?
ANNE TERESA DE KEERSMAEKER: Es ist wahr, die Mann-Frau-Beziehung bleibt ein zentrales Thema. Ich blicke heute aber abstrakter darauf. Schon da die choreographische Erarbeitung auf Organisation von Zeit und Raum in vertikaler und horizontaler Richtung beruht.
intimacy-art: Sind Horizontale und Vertikale mit Mann und Frau gleich zu setzen?
KEERSMAEKER: Die Vertikale entspricht eher der männlichen Energie, die Horizontale der weiblichen. Eine Art Himmel und Erde als antagonistische (gegensätzliche) und komplementäre (sich gegenseitig ergänzende) Kräfte. Eine extrem simple Ausgangsbasis, die gerade wegen dieser Einfachheit zu höchster Komplexität anwachsen kann.
intimacy-art: In Ihren letzten Stücken "Raga for the Rainy Season" und "D´un soir un jour" waren die Beziehungen zwischen Mann und Frau ziemlich schwierig. In den viel früheren "Mozart / Concert Arias - Un moto di gioia" (aus dem Jahr 1992) sind sie dagegen viel lustiger und leichter. Sind Sie als Choreografin kämpferischer geworden?
KEERSMAEKER: Also, ich weiß nicht ...
intimacy-art: Halten Sie die Beziehungen in den "Mozart-Arien" zumindest für unbeschwerter?
KEERSMAEKER: Nein. Sie "sind" einfach Mozart. Mozart transportiert in seiner Musik eine sehr spezielle Einstellung zu Männern und Frauen. Das zeigt sich auch in seiner Achtsamkeit gegenüber Schönheit und Harmonie. Zum Beispiel in einigen der Da-Ponte-Arien ist immer im höchsten Punkt von Traurigkeit, Einsamkeit, Schmerz eine Idee von Harmonie enthalten. So endet daher auch die Mann-Frau-Beziehung in Harmonie. Selbst die elipsoide Form der Bühne steht dafür, ein Kreis mit zwei Zentren, als Raum der Einheit für die"Zwei-heit". Sprich für die erkennbar präsenten Dualitäten von Mann und Frau.
intimacy-art: Skulpturkünstler Markus Lüpertz hat in seiner Mozart-Figur, Halb-Mann, Halb-Frau, auch das harmonische Ganze "Mozart" vereint.
KEERSMAEKER: Ah, ja. Harmonie zwischen Mann und Frau wird auch in unserem Stück ausdrücklich formuliert - zum Beispiel in der Zauberflöte zwischen Pamina und Tamino: Dass danach zu streben sei und was die Schwierigkeit dabei ist. Dahinter liegt der prinzipielle Glaube an die Liebe von Mann und Frau als himmlisches Geschenk. Ich denke, das war eine tiefe Sehnsucht Mozarts.
intimacy-art: Daher lebte er auch selbst die Liebe wie kein anderer. Seine Briefe an seine Frau bezeugen es.
KEERSMAEKER: Absolut.

Lesen Sie in Teil 2 des Gesprächs auf dieser Site: Wie A.T. De Keersmaeker Männer zum weiblichen Tanz bringt.
(Interview-Auszug vom 27.11.2006, volle Länge in Print (Deutsch + Englisch) / Audio (Englisch) über intimacy-art@gmx.at)

No comments: